(Anzeige)Als ich 5 Jahre alt war, haben sich meine Eltern scheiden lassen. Plötzlich war der Papa weg. Ich kann mich an die Zeit nicht sehr gut erinnern, aber meine Mutter sagt, ich hatte nicht geweint und mir war es auch kaum anzumerken, dass irgendetwas anders war. Jetzt als Erwachsene, hätte ich das als Alarmzeichen gesehen. Meine Mutter sah das damals anders. Ich weiß warum. In meiner Welt war es immer meine Schwester, die Papas Liebling war. Ich glaube, ich hatte mir kaum “erlaubt” ihm nach zu trauern oder gar böse auf ihn zu sein. Meistens habe ich die Zeit mit Mama verbracht und von mir hat man Trauer um Papa nicht erwartet. Ich habe mich wohl daran gehalten und habe es für mich behalten. Auch später war ich so. Zumindest und vor allem, wenn es um meinen Vater ging.
Als er viele Jahre später gestorben ist, habe ich nicht getrauert. War er denn nicht schon tot? Schließlich war er für immer weg und hat nie nach mir gefragt. Er hatte mich ja schon verlassen. Und das war mir so wie so egal. Ich war Mamas Liebling. Erst waren es die Erwartungen der anderen, vielleicht der Schock dazu, der Grund, dass ich meine Gefühle nicht raus gelassen habe. Später war es mir wegen der großen, mit den Jahren gebauten Mauer in mir, gar nicht mehr möglich. Ich wollte nicht verletzt werden und habe mich verschlossen. So weit, dass ich das gar nicht mehr absichtlich gemacht habe. Ich habe Jahre gebraucht, um mir meiner Gefühle klar zu werden.
Papa, ich bin nicht sauer auf dich. Nicht mehr.
Papa. Ein Wort, das ich nie sagen konnte. Weil ich niemanden hatte, den ich so nennen konnte. Heute nutze ich diesen Blog, um mir dir zu sprechen. Wer weiß, vielleicht siehst du mich von oben und bist sogar stolz, dass ich das Schreiben von dir geerbt habe. Ich erinnere mich an dich, vor deiner Schreibmaschine, mit Zigarette in der Hand. Du warst ein großer Mann. Und du hast mir schon damals sehr gefehlt.
Ich möchte dir sagen, dass ich dir alles verziehen habe. Dass du mich verlassen hast und mich nie gesucht hast. Dass ich ohne deine Liebe aufwachsen musste. Dass du dein erstes Enkelkind nicht gesehen hast. Dass du ein neues Leben begonnen hast und mich ausgeschlossen hast. Ich habe mich entschieden, dir zu verzeihen. Ich habe nie erfahren, ob du mich jemals geliebt hast, ich will dir aber sagen, dass ich dich sehr geliebt habe. Ich vermisse dich, heute noch. Ich hätte dich gerne in meinem Leben gehabt. Damit hätten wir beide was gewonnen. Jetzt ist es zu spät. Ich wollte aber, dass du noch weißt, dass ich dir alles verzeihe und dass ich dich liebe.
Wo immer du gerade bist, ich hoffe du bist glücklich.
Diesen Brief wird mein Vater niemals lesen können, ich scheue mich aber nicht davor, ihn mit der ganzen Welt zu teilen. In der Hoffnung, jemanden aufzumuntern seine Gefühle zu zeigen, solange es nicht zu spät ist. Baut keine Mauern auf, die euch schützen sollen. Den diese Mauern können nur sehr schwer wieder zum Absturz gebracht werden. Ich hätte gerne die Chance gehabt, meinem Vater meine Gefühle zu zeigen. Ich hätte gerne die Möglichkeit gehabt, auf ihn böse zu sein, ihn anzuschreien, ihm alles vorzuwerfen, was ich ihm so übel genommen habe. Und ich hätte gerne die Chance gehabt, ihm zu verzeihen. Ich musste das aber mit mir alleine ausmachen. Mir klar darüber werden, was ich fühle. Ich musste meine Wut rauslassen um verzeihen zu können. Mit den Jahren habe ich die Blockade in mir gelöst und das sture Kleinkind vertrieben. Ich habe lange geweint, was mir sehr geholfen hat meine Gefühle zu verstehen. Heute verzeihe ich meinem Vater. Alles. Ich wünschte nur, ich hätte es ihm persönlich sagen können.
Nie verschickte Briefe – Emily Trunko
- Loewe Verlag
Ich weiß, dass ich damit nicht alleine bin. Es gibt so viele Menschen, die ihre unverschickte Briefe immer noch mit sich tragen. Wie eine schwere Last. Einige hat Emily Trunko in ihrem neuen Buch “Ich wollte nur, dass du noch weißt”, zusammengefasst. Menschen haben ihre persönlichen Briefe an Emily geschickt, anonym. Nun hat sie alle, nie verschickte Briefe in dem Buch Ich wollte nur, dass du noch weißt zusammengefasst. Ein Buch das anders ist als alle anderen, noch nicht mal ein typisches Buch. Aber eines das sehr zum Nachdenken anregt. Die Zeit, die wir mit unseren geliebten Menschen haben, ist nicht ewig. Wir müssen sie nutzen, um ihnen jetzt zu sagen, was wir fühlen. Bevor es zu spät ist.
Im Buch sind aber nicht nur Briefe, die zu spät ankamen, sondern auch Briefe, die man sich nie getraut hat zu verschicken. An Freunde, Partner oder Eltern. Liebesbriefe, aber auch Hilferufe. Briefe mit versteckter Sehnsucht aber auch die, die eine Art Befreiung sein sollten.
Lieber Dad,
du warst der erste Mann, der mir das Herz gebrochen hat, und dafür danke ich dir. Der Schmerz, den du mir zugefügt hast, hat mich starkt gemacht und mich dorthin gebracht, wo ich heute stehe…
- Aus dem Buch
Ein schöner Satz, dem ich nur zustimmen kann. Unser Lebensweg macht uns am Ende aus. Wir sind das, was wir mit der Zeit wurden. Wir alle aber tragen mit sich oft Emotionen, die uns belasten. Es wäre (für uns selber) am besten, sie loszulassen. Und wenn es in Form eines anonymen Briefes ist. Einen, der nie verschickt wird. Es ist eine enorme Erleichterung, dass was in einem tief sitzt, in Worte zu fassen und zur Papier zu bringen. Es ist eine Art Befreiung.
Und wenn du was schönes zu sagen hast, dann sage es dem Menschen jetzt. Bevor es zu spät ist. Das Buch “Ich wollte nur, dass du noch weißt” eignet sich deshalb auch als Geschenk sehr gut, Geschenk für die Freundin, den Partner oder jemanden anderen, den man lieb hat. Als Geschenkbuch sind nie verschickte Briefe einfach ideal.
Lieber Ty,
es macht mich fertig, dass ich mich nicht verabschieden konnte. Es tut mir Leid, ich wusste nicht, dass ich dich nie wiedersehen würde. Sonst hätte ich mehr gesagt als einfach nur “Tschüss”. -Sarah
- Aus dem Buch
Das Buch erscheint am 13. Februar im Loewe Verlag. Ich kann es wirklich empfehlen. Schon lange hat mich kein Buch so sehr berührt und zum Nachdenken gebracht, wie dieses.
Give Away – ein Buchexemplar
In Zusammenarbeit mit Loewe Verlag, verlose ich ein Buch an einen von euch. Sagt mir dazu bitte in den Kommentaren:
Hast du auch einen nie verschickten Brief?
Teilnahmebedingungen:
Teilnahme mit Wohnsitz in Deutschland und ab 18 Jahre. Teilnahme möglich bis 28.02.2017. 23h Der Gewinner wird unter seinem Kommentar hier auf dem Blog und per Email benachrichtigt.
19 Comments
Sybille
07/02/2017 at 09:50Liebe Vesna,
durch Zufall bin ich auf Deinen Artikel gestossen. Und was soll ich sagen…
Du hast mich zu Tränen gerührt. ich kenne das Gefühl sehr gut – noch nicht alles gesagt zu haben. Und irgendwann bleibt keine Zeit oder man hat keine Möglichkeit mehr der Person das zu sagen, was man wollte. Und das ist manchmal ziemlich viel. Was bleibt ist Papier und Stift, um Gedanken, Gefühle zu visualisieren und diese vielleicht auch ein Stück loslassen zu können.
Auch bei mir schlummern einige Briefe in der Schublade. Briefe deren Empfänger nicht mehr hier sind oder Briefe bei denen ich dachte – jetzt ist einfach nicht der richtige Zeitpunkt. Auch wenn die Zeilen nie den Weg zur entsprechenden Person gefunden haben, bin ich froh sie geschrieben zu haben.
Herzliche Grüße
Sybille
Bianca
07/02/2017 at 10:02Ohhhhh ja… ganz ganz viele. In meinem Kopf und auf Papier und auf zerknülltem, zerrissenen und verbrannten Papier.
Eine sehr schwere Zeit, die mich immer noch belastet und bewegt war ein großer Streit mit meiner besten Freundin, meiner Seelenverwandten. Ich weiß jetzt, dass es mindestens so schwer ist, wie die große Liebe zu finden: jemanden der Dich ergänzt, dem Du all Dein Vertrauen schenken kannst.
Von diesem Menschen verletzt zu werden schmerzt umso mehr und hinterlässt tiefe Narben. Die es unmöglich machen, Dein Herz einem anderen Menschen – oder auch erneut diesem Menschen – zu öffnen.
Daher die ungeschriebenen, unabgeschickten, die zerrissenen und zerknüllten und verbrannten Briefe.
Unalife
01/03/2017 at 14:58Herzlichen Glückwunsch, du hast gewonnen. Ich melde mich gleich per Email.
Liebe Grüße
Frank Warnking
07/02/2017 at 14:28ich habe keinen solchen brief 🙂
Frau Löwenstark
07/02/2017 at 16:41Ja so einen Brief gibt es… Meine Mutter ist im November,nach dem wir jahrelang keinen Kontakt haben plötzlich gestorben. Ich hatte ihr nie verziehen, was während der Scheidung mit meinem Vater passiert ist. Habe meine Wut nie runterschlucken können um zu fragen wieso. Vielleicht hätte ich es tun sollen, vielleicht hätte sie Hilfe gebraucht. Ich war zu feige zu verzeihen… aber ich hab es getan, jetzt.Leider zu spät für uns…
shadownlight
07/02/2017 at 17:59Das hast du so schön geschrieben und es hat mich sehr sehr berührt. Danke für die Gänsehaut und nachdenklichen Worte.
Liebe Grüße!
Carolin
07/02/2017 at 19:05Ich bin sehr stolz darauf immer alle briefe, auch die vielleicht unangenehmen oder die, die einen tiefen einblick gewähren, abgeschickt zu haben und dies auch machen zu können.
Jennifer Ziener
07/02/2017 at 20:32Ja, an eine ehemalige Freundin.. 🙁
Nicole
07/02/2017 at 21:25Ich habe welche im Kopf, an Personen die noch in meinem Leben sind aber auch an welche, wo sich unsere Wege getrennt haben. Es gibt doch viele verpasste Momente, oder welche die man später anders sieht. Und dann denke ich, hätte ich man dieses oder jenes noch gesagt oder getan und verfasse diese Briefe im Kopf.
Yvonne Hülle
07/02/2017 at 23:13Ohje Tränen kullern Grad…
*tiefdurchatmen*
Ich musste meinen Papa leider mit 15 Jahren über die Regenbogenbrücke gehen lassen und ja ich hab ihm auch viel zu wenig gesagt wie sehr ich ihn liebe…
Vieles blieb unausgesprochen,weil viele manchmal leider auch selbstverständlich war.
Es gibt sehr viele Briefe die ich schrieb aber nie weggeschickt hab.
Ich würd mich wahnsinnig über dieses Buch freuen.
Gern dabei und Daumen drücken
iris
08/02/2017 at 10:20Das hast du echt schön geschrieben hat mich echt berührt.
Ganz liebe grüße iris
Kristina Dinges
08/02/2017 at 11:27Was für emotionale Zeilen. Ich glaube das könnte mir auch gefallen!
Liebe Grüße Kristina von KDsecret
Madlen
08/02/2017 at 16:16Hi Vesna,
sehr schön geschrieben. Es ist sicher nicht leicht wenn sich die Eltern trennen wenn man noch so jung ist.
Liebe Grüße,
Madlen
testandtry
08/02/2017 at 18:00Mit deinem Text hast du mich echt berührt. Ohne Worte.. LG
Stefanie Pur
10/02/2017 at 12:34Haben wir sie nicht alle, die nie verschickten Briefe, die nie gesagten Worte, die Gedichte die nie jemand zu Gesicht bekam.
Ja ich schleppe Ballast mit mir rum, hätte Briefe schreiben sollen an “Freunde” und Ex Partner, aber ich hab sie nie geschrieben… Ich nehme die Gefühle mit auf meinem Weg, denn sie erinnern daran wie lang mein Weg bis hierhin war …und sie sind auch eine Warnung besser auf mich zu achten.
Ich würde das Buch unheimlich gerne gewinnen ♡
Andrea
10/02/2017 at 14:54Ich habe in meiner Teenie-Zeit öfters Briefe geschrieben, die ich nicht verschickt habe. Aufgehoben habe ich die nicht.
Hannah Jäger
14/02/2017 at 13:34Liebe Vesna,
ich habe gerade unter deinem wundervollen Beitrag kommentiert, allerdings wurde mein Kommentar als Spam gelöscht. Es würde mich sehr freuen, wenn du meinen Kommentar hochladen könnest, hier ist er:
Liebe Vesna,
was für ein wundervoller Beitrag! <3
Als ich gerade deinen Brief gelesen habe, musste ich ein paar Tränen wegblinzeln, du hast mich gerade sehr bewegt. Und ich bewundere deinen Mut, dass du so ehrlich bist und einen so persönlichen Brief mit uns teilst – vielen Dank dafür!
Das Buch möchte ich unbedingt noch haben, weil ich die Idee mit den nicht abgeschickten Briefen einfach genial finde. Und die Gestaltung sieht ja zauberhaft aus!
Da versuche ich sehr gerne mein Glück bei deiner tollen Verlosung. 🙂
Mir ging es schon öfters so, dass ich nicht mehr das sagen wollte, was ich einer Person unbedingt noch mitteilen wollte. Am schlimmsten war es bei meiner Oma, die an einem Gehirntumor gestorben ist. Vieles hätte ich gerne noch zu ihr gesagt und dennoch ist das Wesentliche denke ich bei ihr angekommen – das ich sehr sehr lieb hatte. <3
Ganz liebe Grüße und Dir noch einen guten Start in die neue Woche,
Hannah
Melli Seifert
21/02/2017 at 14:02Das hat mich jetzt wirklich sehr berührt dein Text!!! Sehr, sehr, sehr bewegend!
Ich muss sagen, ich hab solch einen Brief nicht. Was ich sagen wollte, dass habe ich getan und wenn ich es der Person nicht sagen konnte, dann habe ich es ihr geschrieben. Selbst wenn mal nichts zurück kam.
Liebe Grüße und fühl dich gedrückt,
Melli
Elvira
27/02/2017 at 21:35Hallo
So einen Brief habe ich nicht. Aber irgendwie finde ich mich in deiner Geschichte wieder. Ich kenne das Gefühl ohne Vater aufgewachsen zu sein, und immer wieder hatte ich diesen einen Wunsch “Papa komm zu uns zurück”. Auch das Gefühl um mich herum Mauern gebaut zu haben, wahrscheinlich dachte ich ich habe verletze ihn damit, aber nein mich habe ich damit verletzt. Und als Erwachsene hat man nur Wut und ist sauer auf ihn. Aber er hat mir immer gefehlt aber ich wollte es nie jemanden zeigen weil ich stark sein wollte , !Aber für wenn. Und als er starb habe ich geweint weil ich ihn immer geliebt habe und warum ich nicht den Schritt zu ihm gemacht habe. Lg